Macht eine Immobilie glücklich?

von | Jun 4, 2021 | Immobilien

Einleitung zur Immobilie

In diesem Beitrag soll es um die Immobilie gehen. Des Deutschen – neben dem Auto – zweitliebstes Kind. Wir wollen uns der Frage stellen, ob eine Immobilie glücklich machen kann.

Zunächst einmal möchte ich Folgendes festhalten. Im eigenen Haus wohnen und auf eigenem Grund stehen: großartig! Die eigenen Obstbäume verschneiden und auf der eigenen Wiese grillen: fantastisch!

Und dies soll auch kein Plädoyer gegen die eigenen vier Wände werden. Ich finde Immobilienbesitz toll. In der Regel sind Immobilienbesitzer am Ende ihres Lebens sogar vermögender als Menschen ohne Betongold. Und um neuerdings Negativzinsen zu vermeiden, ist es deutlich besser als das Vermögen auf dem Konto liegen zu haben.

Begründet liegt dies im positiven Zwangssparvertrag – DER KREDIT! Die Motivation des Zurückzahles einer 25 Jahre laufenden Finanzierung ist deutlich größer als die intrinsische Motivation zum generellen Sparen für Personen ohne Baufinanzierung. Letztere gönnen sich dann doch das komfortablere Auto, nehmen einen Urlaub pro Jahr mehr mit und vieles mehr.

Das Eigenheim oder die Eigentumswohnung sind großartig und fantastisch und zugleich ein Luxus, den Sie sich leisten können müssen. Mit sich-leisten-können ist mehr als nur das notwendige Kleingeld gemeint. Ein Haus zu kaufen, hat Konsquenzen. Häufig liegen diese erst einmal im Vorborgenen.

Neben großartig und fantastisch ist das Eigenheim vor allem eines: massiv überschätzt. Der Wert der eigenen Immobilie ist derart emotional beladen, dass viele gute Gegenargumente nicht gehört werden wollen.
Zudem wird das Bild des eigenen Heims logischerweise durch Banken, Immobilienmakler und Bausparkassen viel zu einseitig beschrieben.

Dieser Beitrag soll die anderen Seite der selbstgenutzten Immobilien aufzeigen. Schauen Sie sich die beiden Videos an, könnten Sie fast alles gehört haben. Die zehn Gedanken von Holger Grethe fassen wir für Sie noch mal detailliert zusammen und erweitert sie.

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Allgemeines

Ein erfolgreicher Investor hat seinen Hauskauf immer als sein zweitbestes Investment bezeichnet. Damit will er zum Ausdruck bringen, dass eine stabile Partnerschaft die wichtigste Grundlage für ein glückliches Leben ist. Unterstrichen wir dies von einer Harvard-Studie, die über die vergangenen 75 Jahre getätigt wurde. Darin werden belastbare Beziehungsebenen zu anderen Menschen hervorgehoben. Der Mensch ist ein gesellschaftliches Wesen. Das Ergebnis der Studie wundert also wenig.

Eines der großen Lebensziele ist für viele die eigene Immobilie. Es verspricht Glück, Geborgenheit und Stabilität. Nur leider hält das Versprechen nicht immer. Beleuchten wir das märchenhafte Bild der Immobilie in Deutschland von einer anderen Seite.

Erster Weg: Immobilien machen immobil

Singles und Paare mit einer Immobilie sind unflexibel. Bei Singles kann das passende Pendant 50 Kilometer entfernt wohnen. Ein Teil der Lebensgemeinschaft wird Abstriche machen müssen, wollen beide zusammenziehen. Das Argument die eigene Immobilie dann zu vermieten, ist richtig und gut. Unterschätzen Sie dabei bitte nicht die emotionale Bindung an die eigenen vier Wände. Das macht Entscheidungen manchmal schwierig.

Für Singles kann es ein Hindernis in der Partnersuche darstellen. Dem Namen nach macht eine Immobilie immobil. Damit könnte die Wahrscheinlichkeit auf eine gute und stabile Partnerschaft sinken.

 

Zweiter Weg: Weniger Zeit für die Liebe

Das Eigenheim ist ein Projekt, mit dem sich Paare lange Zeit ablenken können. Sie machen während des Hauskaufes oder Hausbaus eine anstrengende Phase durch. Liegt diese hinter ihnen, stellt sich der gleiche Alltag wie davor ein. Das Arbeiten an der Beziehung und das sich füreinander Mühen geben, könnte wieder im Vordergrund stehen.

Nach dem anstrengende Abenteuer eines Hausbaus oder Hauskaufes sind Familien augenscheinlich besser situiert und leben wohlhabender. Nur leider macht der Besitz nicht zwangsläufig glücklicher. Manche Bücher sprechen sogar davon, dass Besitz die Wurzel allen Übels ist. Die private Zeit der Zweisamkeit wurde während des Hausbaus drastisch eingeschränkt. Die Zeit und die Energie füreinander fehlten. Ohne es zu wollen, vernachlässigen sich die Gegenüber. Es fehlt die Zeit für alltägliche Gespräch. Und es fehlt sogar die Zeit für die Libido.

Ein temporäres Verschieben des ‚Beziehungsschwerpunktes‘ kann okay sein. Fehlen dauerhaft Dankbarkeit, Anerkennung und Zuneigung wird es in jeder Partnerschaft schwierig. Zudem verringert sich die Fähigkeit erkannte Konflikte anzusprechen. Fehlt dieses Maß an Kommunikation schaukeln sich unausgesprochene Konfliktherde unbewusst hoch. Das ist meist der Anfang vom Ende.

Dritter Weg: Noch weniger Zeit mit Kindern (dafür aber ein Eigenheim)

Paare erwerben Eigentum, weil sie Kinder haben oder welche im Zulauf sind. Die Kinder sollen ein eigenes Zimmer haben und im Garten eine Sandkiste vorfinden. Bereits ohne Immobilie fahren Eltern mit Kleinkindern am Anschlag. Wenn bisher wenig Zeit für Freunde, Sport, gemeinsame Zeit und Hobbies war, ist das Zeitbudget mit Eigenheim quasi Null.

Das Stresslevel in den ersten sechs bis acht Erziehungsjahren steigt stetig. Einer Phase im Leben, die für sich allein bereits eine ‚Extremsituation‘ darstellen kann, wird mit der eigenen Immobilie eine weitere Belastung hinzugefügt. Jede:r Projektmanager:In würde Alarm schlagen. Für das eigene Leben sind wir häufig blind. Damit nimmt das Potential für Missstimmungen zu. Das erwähnte Konfliktpotential haben Sie im zweiten Weg bereits gelesen.

 

Vierter Weg: Unrealistische Glückserwartungen gegenüber einer Immobilie

Alles Neue folgt der selben Logik. Nach der Anfangseuphorie stellt sich Alltag und Gewöhnung ein. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Das ist eine wichtige Erkenntnis. Nach der Phase des ‚forming‘ gehen wir ins ’storming‘ über. Das heißt, unterschwellige Konflikte treten erneut zu Tage. Es kommt im Alltag zu Konfrontationen. Das Gefühl des Vorwärtskommen schwindet. Egal in welcher Art von Team kommt es auf diese Phase an. Schaffen wir aus einer jeweiligen Situtation nicht das Beste zu machen, jagen wir unrealistischen Glückserwartungen im Außen hinterher. Herzlich Willkommen in unserer Gesellschaft. Oft folgen Paare bei ihrem Wunsch, ein Haus zu bauen, gesellschaftlichen Vorstellungen. Ein Haus zu bauen, gehört einfach dazu.

In der Glücksforschung wird dieser Prozess „hedonistische Adaption“ genannt. Diese Erkenntnis für das eigenen Verhalten kann für ein Leben in unserer heutigen Konsumgesellschaft wichtig sein. Die Rückbesinnung auf gesellschaftliche Werte und belastbare Beziehungsebenen ist sinnstiftender, als das neuste Smartphone, das nächstgrößere Auto oder eben das Eigenheim.

Damit ich mich hier richtig ausdrücke. Ich bin ganz klar für Fortschritt und Entwicklung. In unserem ökonomisierten Liberalismus fehlt mir nur die Erkenntnis, dass es vor allem um persönliche Entwicklung geht. Nur wenn es den Menschen in einer Gesellschaft gut geht, kann sich das Individuum um die Gesellschaft kümmern. In der persönlichen Nutzenmaximierung geht dieser Punkt leider unter und wir werden weder glücklich im Innen noch im Außen.

Fünfter Weg: Geldknappheit durch Eigenheim

Viele Finanzkonzepte mit dem Wunsch zur eigenen Immobilie sind knapp bemessen. Es kommt immer wieder vor, dass ich von Finanzierungen auf Grund mangelnden Budgets abrate. Die nächstbeste Hausbank finanziert das Objekt dennoch. Um mit den eigenen vier Wänden glücklich zu werden, sollten Sie mindestens 20% Eigenkapital mitbringen. Kostet ein Haus 300.000,- € sind 60.000,- € eigene Mittel ratsam.

Wollen Sie es vorsichtig kalkulieren, wäre noch etwas mehr Kapital schön. Beim Kauf einer Immobilie oder beim Bau wird es immer unvorhergesehene Ereignisse geben. Diese nicht eingeplanten zusätzlichen Kosten können zu zusätzlichem Druck führen. Kalkulieren Sie vorsichtig, so wie es jede:r Unternehemer:In machen sollte. Fertigen Sie eine detaillierte Einnahmen-Ausgaben-Übersicht an. Diese sollte auch nach dem Erwerb der Immobilie ein positives Saldo aufweisen.

Sechster Weg: Negative Folgen im Alltag

Gerade in urbanen Gebieten führt die eigene Immobilie häufig zu längeren Arbeitswegen. Entweder weil die Eigentumswohnung nicht in der Nähe der Arbeitsumgebung liegt oder weil der Weg aus dem Umland gefahren werden muss. Diesen Aspekt sollten Sie in Ihrem Alltag beachten. Diese längeren Fahrtwege haben noch weniger Zeit für Familie, Sport und Hobbies zur Folge. Das Konfliktpotential kann steigen und die Stimmung in der Partnerschaft sinken, weil viele Dinge nicht mehr machbar oder leistenbar sind.

Siebter Weg: Zu viel Arbeit für beide

Unerwartete Kosten und/oder weiteres Streben glücklich zu werden, führen unweigerlich zu mehr Arbeit. Hat die Gewöhnung uns erst einmal wieder, sollten es dann doch der zusätzliche Urlaub, das schönere Auto oder in einer Bestandsimmobilie das neue Bad oder die neue Küche sein. Aller Zusatznutzen kostet Geld, das durch zusätzliche Arbeit erwirtschaftet werden muss. Die Folge ist selbstredend weniger Zeit für die Familie.

Darüber hinaus muss für die Immobilie selbst Arbeitsleistung erbracht werden. Es fallen mehr Sorgearbeiten an. Haus und Grund müssen gepflegt werden. So besteht die Gefahr, zu einem Leibeigenen des Grundstück zu werden. Glauben Sie mir: das macht nicht glücklich, auch wenn wir es uns in der Situation selbst nicht eingestehen wollen.

 

Achter Weg: Scheidung

Circa 50 Prozent aller Ehen werden geschieden. Die durchschnittliche Dauer einer Ehe liegt dabei bei 14 Jahren. Eine schwierige Zeit für Partner und Kinder. Die eigene Immobilie macht die Trennung noch schwieriger und seelisch belastender.

Kommt es zur Trennung müssen schwierige Fragen beantwortet werden. Wer bekommt das Haus? Kann einer alleine es überhaupt bezahlen? Muss das Haus verkauft werden? Wer zahlt wen aus?
Aktuell findet vermehrt das Nest-Modell Anklang. Das heißt, dass das Haus als Wohnort der Kinder erhalten wird und beide Elternpaare abwechselnd aus ihren jeweiligen Wohnungen im Haus wohnen.

Die aktuellen Entwicklung an den Immobilienmärkten lässt Betongold als gute Geldanlage erscheinen. So bleiben zumindest bei einer Veräußerung keine Restschulden übrig. Darauf zu setzen, dass es systemisch mit der Preisentwicklung so weiter geht, macht nicht glücklich.

 

Neunter Weg: Die Immobilie als Harmoniefalle

In der Literatur wird bei einer selbstgenutzten Immobilie von der Harmoniefalle gesprochen. Die oben beschriebenen Aspekte können zu einer langfristigen Verschiebung des Beziehungsschwerpunktes führen. Es fehlt die Zeit für Dankbarkeit, Anerkennung und Wertschätzung. Konflikte können oder wollen nicht ausgetragen werden – der Harmonie zuliebe. Und genau das ist gefährlich.

„Denn Paare, die Meinungsverschiedenheiten aus dem Weg gehen, sind einige Jahre später mit einer höheren Wahrscheinlichkeit getrennt, als Paare, die Konflikte offen austragen.“ schreibt Holger Grethe. Mehr Kommunikation ist immer besser als weniger Kommunikation. Konflikte besprechbar zu machen, macht glücklich.

Welche Wirkung hat eine Immobilie auf die Bereitschaft von Paaren, sich offen miteinander auseinanderzusetzen? In vielen Fällen entwickelt sie sich negativ. Das Bedürfnis nach Harmonie ist nach dem Hausbau noch größer als zuvor. Und so gefährdet das gemeinsame Haus paradoxerweise das Fundament der Ehe.

Zehnter Weg: Verzicht im Alter

Wenige schaffen es! Den Verkauf der eigene Immobilie im Alter. Der emotionale Wert ist zu groß. Und damit kann das Eigenheim der Altersvorsorge nicht dienen.

Hat das Haus erst einmal 25 Jahre oder mehr auf dem Buckel, beginnen so langsam die preisspieligen Reparaturarbeiten (Fenster, Heizung, Dach, neue rechtliche Auflagen). Jetzt könnte das Objekt wieder beliehen werden. Teilweise schwierig, weil Banken älteren Leuten keine Kredite mehr gewähren. Alternativ wird nichts an der Instandhaltung gemacht, weil alle finanziellen Mittel über die Jahre in die Tilgung geflossen sind. Gerade zukünftige Rentnergenerationen werden weniger Gesetzliche Rente beziehen.

Ernsthafte finanzielle Engpässe können die Folge sein. Es ist weniger Geld für all die angenehmen Seiten des Lebens verfügbar. So trägt die Immobilie dazu bei, dass seine Besitzer nach dem Kauf weniger glücklich sind, als zuvor. Sie überschätzen den langfristigen Einfluss der Immobilie auf ihr Zufriedenheitsgefühl. Und sie unterschätzen die hohen emotionalen Kosten, die der Verzicht auf Konzertbesuche nach sich zieht, die reduzierten Urlaubspläne, das früher so gewohnte Essen gehen und die selteneren Besuche bei entfernten Freunden. Vielleicht machen all diese Dinge doch glücklich.

Elfter Weg: Nachhaltigkeit

Sollte Ihnen der Lauf der Welt wichtig sein, dann hat die selbstgenutzte Immobilie in der Regel eine hohe negative Wirkung auf unseren ökologischen Fußabdruck. Häufig wird heutzutage mit Zement gebaut. Dieses Baumaterial besitzt die schlechteste CO2-Bilanz.
Darüber hinaus muss es auch immer größerer Wohnraum sein. Dieser muss vor allem beheizt werden. Mehr Raumwärme führt zu einem höheren Verbrauch von Öl oder Gas. (Exkurs: Vor 50 Jahren betrug die durchschnittlich verfügbare Wohnfläche pro Person circa 20 Quadratmeter. Heutzutage liegt dieser Wert bei 40 bis 45 Quadratmetern.)

Fazit

Im selbstgenutzten Eigenheim zu wohnen, ist kein Fehler. Die Bedeutung damit selbst glücklich zu werden, wird jedoch deutlich überschätzt. Der entgangene emotionale Nutzen meist über Jahrzehnte wird verkannt. Dabei könnte die Grundsteinlegung für die eigene Partnerschaft deutlich wichtiger sein. Vielleicht macht diese glücklich. Das ist aber nur eine steile Behauptung.

Zum Artikel von Holger Grethe

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